Ratgeber
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Jodmangel führt zur funktionellen Autonomie
Funktionell autonome Schilddrüsenzellen können TSH-unabhängig und ohne Beziehung zum peripheren Hormonbedarf Jod aufnehmen und anreichern, Thyreoglobulin synthetisieren und Schilddrüsenhormone freisetzen. Eine klinisch relevante Autonomie ist die Folge einer lang bestehenden Jodmangelstruma. Wenn die Hormonproduktion aus den autonomen Zellen den Bedarf überschreitet und auch die Gegenregulation über eine verminderte TSH-Stimulation nicht mehr zur Kompensation ausreicht, kommt es klinisch zu einer Hyperthyreose.
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Was versteht man unter einer funktionellen Autonomie der Schilddrüse?
Als Ursache für die funktionelle Autonomie werden Mutationen in den Gen-Sequenzen des TSH-Rezeptors und der G-Proteine angenommen, die zu einer von der TSH-Stimulation unabhängigen Aktivierung des Rezeptors und des in der Signalkette nachgeschalteten Adenylatcyclase-aktivierenden GF-Alpha-Proteins führen. Diese somatischen Mutationen werden durch einen exogenen Jodmangel begünstigt. In Ländern mit ausreichender Jodversorgung ist die funktionelle Autonomie daher nur sehr selten anzutreffen.
Infolge der Autonomie bilden sich endogen überaktive Schilddrüsengewebsanteile, die von der übergeordneten hypophysären Regulation unabhängig sind, mithin "autonom funktionieren".
Die funktionelle Autonomie kann sich als unifokale Form, multifokal oder disseminiert manifestieren. Je nach Ausmaß der Hormonproduktion kann die Funktion der Schilddrüse euthyreot, latent hyperthyreot oder manifest hyperthyreot sein.
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Was sind die ersten Reaktionen der Schilddrüse auf einen Jodmangel? Wie lange dauert es, bis sich dann die funktionelle Autonomie einstellt?
Die ersten Reaktionen der Schilddrüse auf Jodmangel sind die Zunahme des Volumens und Knotenbildung. Verantwortlich dafür sind lokale Wachstumsfaktoren und Jodlipide, die durch den intrathyreoidalen Jodgehalt reguliert werden. Ferner kommt es durch den Jodmangel zu einer Sensibilisierung gegenüber den trophischen Wirkungen des TSH.
In der Regel ist die funktionelle Autonomie eine Erkrankung des höheren Lebensalters (>50 Jahre). Das bedeutet, dass es u.U. Jahre bis Jahrzehnte dauert, bis sich auf dem Boden einer Schilddrüsenvergrößerung und des Jodmangels eine funktionelle Autonomie bildet.
Bislang gibt es keine verlässlichen statistischen Daten, die belegen, dass die vermehrte Verwendung von Jodsalz in Deutschland dazu geführt hat, dass die Häufigkeit der funktionellen Autonomie abgenommen hat.
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Was passiert, wenn eine funktionelle Autonomie der Schilddrüse unbehandelt bleibt?
Bleibt eine funktionelle Autonomie der Schilddrüse unbehandelt, entsteht irgendwann eine manifeste Hyperthyreose mit den bekannten Symptomen, die den gesamten Organismus und alle Organe betreffen können. Einige Beispiele für die Symptome sind Tachykardie, Rhythmusstörungen, Nervosität, Gewichtsverlust, Durchfälle, Muskelschwäche, Wärmeintoleranz, Haarausfall und profundes Schwitzen.
Eine besondere Situation besteht dann, wenn eine funktionelle Autonomie unbekannt ist und eine Röntgenuntersuchung mit jodhaltigen Kontrastmitteln ansteht. Durch die jodhaltigen Kontrastmittel kann es zum Auftreten schwerster Hyperthyreosen bis hin zur thyreotoxischen Krise mit akuter Lebensbedrohung kommen. Daher die Forderung: Vor jeder Kontrasmitteluntersuchung muss eine Untersuchung der Schilddrüsenfunktion erfolgen. Das Minimalprogramm dabei ist die Bestimmung des basalen TSH.
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Wie lange kann man eine funktionelle Autonomie medikamentös behandeln? Wann sollte man eine definitive Therapie in Erwägung ziehen? Was spricht für eine Operation?
Da die Autonomie durch Thyreostatika nicht geheilt werden kann, stellt die thyreostatische Therapie nur eine passagere Form der Behandlung dar.
Wann immer die Diagnose einer Autonomie mit Hyperthyreose gestellt wird, sollte eine definitive Therapie mit dem Patienten besprochen werden. Grundsätzlich ist dabei die Radiojodtherapie vorzuziehen. Ausnahmen ergeben sich bei sehr großen Schilddrüsenvolumina oder großen Knotenvolumina und/oder gleichzeitig bestehenden kalten Knoten (Malignitätsverdacht).
Eine Behandlungspflicht besteht bei manifester Hyperthyreose und auch bei latenter Hyperthyreose, wenn klinische Beschwerden vorliegen.
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Wie geht man vor, wenn bei einer Struma mit Euthyreose auch eine Autonomie vorliegt, so dass die übliche medikamentöse Therapie eine Hypertyreose hervorrufen kann?
Besteht eine Struma mit Euthyreose und Autonomie, so wird die übliche konservative Strumatherapie mit Jod, Levothyroxin oder Kombinationspräparaten in der Regel nicht durchgeführt. Wenn noch keine Behandlungspflicht der Autonomie besteht, sollte zugewartet werden, bis eine latente Hyperthyreose bzw. Symptome auftreten.
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Wie wirken sich Jodgaben bei schon bestehendem Kropf aus?
Die Entscheidung, ob bei bestehendem Kropf und gleichzeitiger Autonomie Jod zugeführt wird, sollte von der Größe der Autonomie abhängig gemacht werden. Generell ist nicht erwiesen, dass die Zufuhr von Jod bei bereits bestehender Autonomie dazu führt, dass sich die Autonomie wieder zurückbildet.