Ratgeber
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Welche Formen der Hyperthyreose unterscheidet man? Welche Ursachen können diese Schilddrüsenkrankheiten haben?
Bei der Differentialdiagnose der Hyperthyreose ist der Morbus Basedow gegenüber der funktionellen Autonomie abzugrenzen. Die Erstbeschreibung dieser "klassischen" Form der Schilddrüsenüberfunktion erfolgte im deutschen Sprachraum durch den Merseburger Arzt von Basedow im Jahre 1940. Heute weiß man, dass es sich um eine immunogene Multisystemerkrankung handelt, die mit einer Hyperthyreose, einer diffusen Vergrößerung der Schilddrüse sowie einer infiltrativen Orbitopathie und gelegentlich einer Dermatopathie, dem sog. prätibialen Myxödem, einhergehen kann. Bei der Schilddrüsenautonomie sind es dagegen autonome Zellen, die zu einer funktionellen Autonomie der Schilddrüse mit peripher hyperthyreoter Stoffwechsellage führen können.
Während es sich bei der Basedow`schen Krankheit um eine schicksalhaft bedingte Autoimmunthyreopathie handelt, wäre die Entwicklung einer thyreoidalen Autonomie vermeidbar, denn sie ist die Folge eines chronischen Jodmangels der Schilddrüse. Wenn auch autonome Zellen in geringer Menge in einer gesunden Schilddrüse nachweisbar sind, führt erst ein chronischer Jodmangel, wahrscheinlich über die Wirkung lokaler Regulationsmechamismen des Zellwachstums, zur Proliferation funktionell autonomer Zellen und damit zur klinisch relevanten Autonomie, bei der die autonomen Zellen einen größeren Anteil an der Hormonproduktion der Schilddrüse übernehmen, die damit unabhängig von der endogenen TSH-Sekretion wird.
Ob im individuellen Fall eine Autonomie nachgewiesen werden kann, hängt vom Alter des Patienten, von der Strumagröße und der Beschaffenheit der Struma (diffus/knotig) ab. Während bei jüngeren Patienten bis etwa zum 30. Lebensjahr mit einer nur mäßig und diffus vergrößerten Schilddrüse das Vorliegen einer relevanten Autonomie weitgehend ausgeschlossen werden kann, muss bei älteren Patienten mit einer deutlich vergrößerten und knotig umgewandelten Schilddrüse in bis zu 75% der Fälle mit einer Autonomie gerechnet werden.
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Worin unterscheidet sich das klinische Bild der Hyperthyreose bei älteren von dem bei jüngeren Menschen?
Die Symptome der funktionellen Autonomie sind aufgrund der verschiedenen Stadien mit Übergängen von einer euthyreoten zu einer latent und schließlich manifest hyperthyreoten Stoffwechsellage sehr variabel. Häufig sind mono- oder oligosymptomatische Verlaufsformen. Oft sind eine Tachyarrhythmie, Gewichtsverlust oder Schlaflosigkeit die einzig fassbaren Symptome. Dies hat zur Folge, dass die vor allem bei älteren Menschen vorkommende Form der Hyperthyreose oft erst sehr spät erkannt wird, vor allem wenn eine Vergrößerung der Schilddrüse, insbesondere ein Knotenkropf nicht sicht- oder tastbar ist.
Während die funktionelle Autonomie der Schilddrüse eine Krankheit des höheren Lebensalters ist, kommt der Morbus Basedow in jedem Lebensalter vor. Häufigkeit und Schweregrad klinischer Symptome sind nicht nur von der Höhe der Hormonspiegel abhängig, sondern auch davon, wie akut die Krankheit entstanden ist, wie alt der Patient ist und wie die Organsysteme im Einzelfall auf den Hormonexzess reagieren. Bei jüngeren Patienten dominieren Symptome wie innere Unruhe, Schlaflosigkeit, Abnahme des Körpergewichts, Schweißausbrüche, Neigung zu Durchfällen, plötzliche Schwächezustände. Klinische Leitsymptome sind eine feuchtwarme Haut, eine Dauertachykardie, eine Erhöhung des Blutdrucks mit großer Blutdruckamplitude und ein feinschlägiger Tremor der ausgestreckten Finger. Bei älteren Patienten finden sich, ähnlich wie bei der funktionellen Autonomie, gehäuft atypische Verlaufsformen mit einer vorwiegend apathisch-adynamen, kardiovaskulären und myopathischen Symptomatik.
Richtungsweisend für die Diagnose einer Immunhyperthyreose sind klinische Zeichen einer endokrinen Orbitopathie, die sich bei etwa 60% der Patienten mit Morbus Basedow nachweisen lassen. Ebenfalls pathognomonisch für den Morbus Basedow ist der Nachweis eines prätibialen Myxödems, das sich jedoch nur bei etwa 4% der Patienten findet.
Neben den genannten Symptomen kann eine Assoziation mit anderen Autoimmunkrankheiten wie einer Vitiligo, einer atrophischen Gastritis oder selten einer Nebennierenrindeninsuffizienz oder eines systemischen Lupus erythematodes bestehen und das klinische Bild prägen.
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Wie geht man bei der Diagnostik einer Hyperthyreose vor?
Für den Ausschluss bzw. den Nachweis einer Schilddrüsenüberfunktion sollte immer von der Anamnese mit Fragen nach typischen Symptomen für eine Hyperthyreose ausgegangen werden. Es folgt die körperliche Untersuchung mit Inspektion und Palpation der Schilddrüse, Untersuchung der Augen zum Nachweis bzw. Ausschluss einer endokrinen Orbitopathie, Untersuchung der Unterschenkel auf ein prätibiales Myxödem oder eine Steigerung der Sehnenreflexe, Nachweis einer begleitenden Myopathie oder einer Manifestation des Hypermetabolismus im Bereich des Herzens in Form einer Tachyarrhythmie. Die technischen Untersuchungsverfahren sollten dazu dienen, die vermutete Schilddrüsenüberfunktion zu sichern und einen objektiven Ausgangsbefund für die Verlaufsuntersuchung zu erheben. Besteht klinisch der Verdacht auf eine Hyperthyreose und zeigt ein erniedrigter TSH-Spiegel die Suppression des Regelkreises Hypohyse-Schilddrüse an, empfiehlt sich die Bestimmung des freien Thyroxins (FT4) und des freien Trijodthyronins (FT3).
Wenn andere Ursachen einer Hyperthyreose, wie die Thyreotoxicosis factitia durch Einahme hoher Dosen von Schilddrüsenhormonpräparaten oder die Hyperthyreose im Rahmen einer Thyreoiditis ausgeschlossen sind, ist zwischen der immunogenen Form beim Morbus Basedow und einer Hyperthyreose im Rahmen einer funktionellen Autonomie zu differenzieren. Hierbei nimmt die endokrine Orbitopathie eine Schlüsselstellung ein, da bei ihrem Vorliegen eine Hyperthyreose sicher dem Typ des Morbus Basedow zugeordnet werden kann. Bei fehlenden Augenveränderungen ist die Bestimmung von TSH-Rezeptor-Antikörpern und von mikrosomalen Schilddrüsenantikörpern angezeigt, die spezifisch den Morbus Basedow gegenüber einer Schilddrüsenautonomie abgrenzen lassen. Zusätzliche Kriterien sind eine verminderte Echogenität des Schilddrüsenparenchyms bei der konventionellen Schilddrüsensonographie sowie eine Hypervaskularisation bei der farbcodierten Doppler-Sonographie und eine homogene sowie hohe Radionuklidspeicherung im quantitativ ausgewerteten Schilddrüsenszintigramm.
Besteht der Verdacht auf eine funktionelle Autonomie, die entweder unifokal als autonomes Adenom, multifokal oder selten disseminiert auftritt, sind immer die Sonographie und die Szinitigraphie der Schilddrüse mit quantitativer Auswertung erforderlich. Hierdurch gelingen der Nachweis und die Lokalisation autonomen Schilddrüsengewebes sowie die Abschätzung der funktionellen Aktivität.